Der aufsehenerregendste Skandal in der Geschichte der deutschen Transplantationsmedizin

In einer Göttinger Klinik wurden Wartelistenplätze für Spenderorgane verkauft, also im Grunde das Recht auf Leben. Mindestens ein Kind starb, ohne jemals eine Transplantation erhalten zu haben.

Einmal pro Woche treffen sich Patienten, denen das Herz eines anderen in der Brust schlägt, die eine Leber- oder Nierentransplantation hinter sich haben, und solche, die in einer endlosen Warteschleife auf eine Operation warten. Normalerweise reden sie über angenehme Dinge. Doch nicht heute, als sie erfuhren, dass die Ärzte am Universitätsklinikum Göttingen schlicht das Recht auf Leben eintauschten.

„Ich habe in diesem Krankenhaus Menschen sterben sehen, weil sie nicht auf eine Herztransplantation gewartet hatten. Kürzlich traf ich eine Familie, deren Kind auf eine Niere und eine Lunge wartete. Jetzt hörte ich, dass es nicht überlebt hat“, erzählt Sevinc Merkit.

Mindestens 25 Organtransplantationen wurden an der Universitätsklinik illegal durchgeführt – die Hälfte aller dort innerhalb eines Jahres durchgeführten Operationen. Dies ist der größte Skandal in der Geschichte der deutschen Transplantationsmedizin. Diejenigen, die selbst auf der Warteliste für eine Transplantation standen, verstehen nicht, wie das überhaupt möglich war.

„Im niederländischen Leiden gibt es ein paneuropäisches Zentrum, Eurotransplant. Dort gibt es eine Computerdatenbank mit potenziellen Spendern und Patienten, die auf eine Transplantation warten. Wenn ein Organ zur Transplantation bereit ist, wird nicht der Arzt gefragt, sondern Eurotransplant, das als nächstes an der Reihe ist“, sagt Patient Ingo Jaeger.

Um schnell an das benötigte Organ zu gelangen, fälschte die Klinik sowohl Tests als auch Krankenakten, sodass ein Patient, der nicht dringend behandelt werden musste, angeblich am Rande von Leben und Tod stand. Auf diese Weise erhielt er Priorität. Wie viel solche Leistungen kosten, ist noch unbekannt. Die Staatsanwaltschaft gibt keine Auskunft. Der Organtransplantationsverband gibt zu, völlig hilflos zu sein.

„Derzeit gibt es keinen Kontrollmechanismus, der solche Manipulationen in Zukunft verhindern könnte. In der gesamten deutschen Ärzteschaft hätte sich niemand vorstellen können, dass ein Arzt falsche Testergebnisse melden könnte“, sagt Hans Lilie, Vorsitzender der Bundesärztekammer für Organtransplantation.

Jeden Tag sterben in Deutschland drei Menschen, weil sie kein neues Herz, keine neue Leber oder keine neue Niere bekommen konnten. Um das zu ändern, hat der Deutsche Bundestag kürzlich ein neues Transplantationsgesetz verabschiedet.

Seit dem 1. November dieses Jahres muss jeder deutsche Bürger einen Organspendeausweis bei sich tragen. Darauf müssen Sie Ihren Vor- und Nachnamen, Ihr Geburtsdatum und Ihre Adresse schreiben. Auf der Rückseite müssen Sie eine klar formulierte Frage beantworten: Sind Sie damit einverstanden, dass Ihre Organe nach Ihrem Tod für Transplantationen verwendet werden? Sollten Sie diese Frage aus irgendeinem Grund nicht beantworten können, schreiben Sie den Namen eines Angehörigen auf, der die Entscheidung für Sie treffen kann.

Die medizinische Fachwelt befürchtet, dass es nach diesem Skandal in Deutschland noch mehr Menschen geben wird, die „Nein, ich bin nicht einverstanden“ schreiben, und dass diejenigen, die wirklich nicht warten können, ihr Recht auf Leben verlieren.